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Das wohl bekannteste homöopathische Produkt: die zuckrigen Streukügelchen, genannt „Globuli“. Bild: Pixabay Licence.
Das wohl bekannteste homöopathische Produkt: die zuckrigen Streukügelchen, genannt "Globuli". Bild: Pixabay Licence.
Der NBS-Forscher Marcel Schütz analysiert den Disput um die Homöopathie soziologisch. Bild: Kevin Knoche.
Der NBS-Forscher Marcel Schütz analysiert den Disput um die Homöopathie soziologisch. Bild: Kevin Knoche.

Über die Homöopathie, vor allem bekannt in Form winziger Zuckerkügelchen (Globuli), wird bereits seit langer Zeit mitunter bitter gestritten. Regelmäßig und so auch gegenwärtig tritt das Thema verstärkt in den Medien in Erscheinung.

Sollten (schul-)medizinisch unwirksam geltende Präparate und Therapien von den Krankenkassen finanziert werden? Immerhin lastet auf dem Gesundheitswesen ein beachtlicher wirtschaftlicher Druck. Zahlreiche Krankenkassen wollen aus Wettwerbsgründen ihren Kunden die Homöopathie weiterhin zahlen, schließlich werden die mitunter kostspieligen Präparate vermehrt von Patienten nachgefragt. Demgegenüber steht die Einschätzung der medizinischen Fachwelt: Ein Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie ist naturwissenschaftlich nicht zu erbringen.

In einem Artikel für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom vergangenen Samstag diskutiert NBS Research Fellow Marcel Schütz die Besonderheiten der Kontroverse und bringt dazu neue, soziologische Aspekte ein. Gerade weil eine pharmakologische Wirkung nicht eintreten und daher auch nicht bewiesen werden kann, gerade aus diesem Umstand erklärt sich Schütz den Erfolg der Homöopathie im Gesundheitswesen.

Gegenstand seiner Analyse in der NZZ sind zwei Thesen: Zum einen imitierte die Homöopathie teilweise die Formen der klassischen Medizin, um sich damit eigene Legitimation zu verschaffen: "So werden den Patienten Hinweise zur sicheren Dosierung, zu den Einnahmezeiten und zur Fahrtüchtigkeit gegeben, obwohl gar keine Risiken bestehen. Des Weiteren wird die Bedeutungskulisse der Homöopathie über ärztliche Instruktionen fundiert", heißt es im Beitrag. Schütz nennt dies die "Vermedikamentösung von Nichtmedikamenten".

Zum anderen vertritt der Forscher die These, dass Ärzte durch das Verschreiben der Homöopathie ihre "Interaktionslast im Patientenkontakt reduzieren" können. "Ein Patient, der sich nicht mehr sachkundig überzeugen lässt, muss nicht verloren sein." Patienten erhalten die Globuli demnach auch zwecks Beruhigung und Entlastung. Für viele Verabreichungen lassen sich sogenannte Placebo-Effekte annehmen: In der Erwartung, eine heilsame Wirkung zu erreichen, werde (molekular betrachtet) unwirksamen Präparaten dennoch Effekte zugeschrieben. Die Patienten genesen zuweilen tatsächlich, wobei jedoch Gründe auf der Beziehungsebene liegen können, oder auch in der häufig schon durch die Immunabwehr eintretenden natürlichen Ausheilung.

Schütz geht es in seiner Analyse nicht um eine normative Haltung oder Polemik; ihn interessiert vielmehr wie die Anerkennung der Homöopathie durch die soziale Rahmung bzw. die Arzt-Patienten-Interaktion hergestellt und erhalten wird. Dazu steht er mit Medizinern in Kontakt. Der Artikel hat übers Wochenende im Internet bereits einige Resonanz gefunden. Die soziologische Analyse wird in Zusammenarbeit mit Kollegen für eine entsprechende Publikation fortgesetzt.

Den vollständigen Beitrag gibt es hier als (Druck-)PDF; alternativ (online-Version) auf nzz.ch.