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Marcel Schütz. Foto: Kevin Knoche

In den vergangenen Wochen hatte NBS Research Fellow Marcel Schütz eine ganze Reihe Einladungen zum selben Thema: der Bedeutung von "Kultur" in Unternehmen und Verwaltungen sehr verschiedener Art – und damit zu einem Thema, das in der Arbeitswelt derzeit offensichtlich viel Beachtung findet.

Beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat Schütz über das Verhältnis von sozialer Diversität und Leistungsorientierung speziell mit Blick auf die Hochschulen gesprochen. An dem in der Universität Bonn veranstalteten Forum nahmen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Leitung und Verwaltung von Hochschulen und Universitäten teil. In der Management-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung präsentierte Schütz Befunde zum Einfluss der Organisationskultur speziell im Bereich von Non-Profit-Organisationen, Gewerkschaften und Parteien. Die Hamburger Hochbahn AG interessierte sich derweil für Chancen und Grenzen einer familiären Arbeitsatmosphäre und führte dazu mit Schütz ein Interview. Vor wenigen Tagen erschien dann ein Aufsatz von Marcel Schütz über eine von ihm durchgeführte empirische Studie in der evangelischen Kirche. Hier wurden Führungs- und Entscheidungsverhalten im Hinblick auf kulturelle Phänomene betrachtet. Die Arbeit ist im Fachblatt "Scandinavian Journal for Leadership & Theology" erschienen.

Als Kultur werden in der Organisationsforschung jene Aktivitäten in einem Unternehmen oder einer Verwaltung verstanden, die nicht explizit entschieden wurden, die sich aber durch Übung, also über informelle Routinen bzw. Wiederholungen, zu dauerhaften Abläufen "eingeschlichen" und verstetigt haben. Es handle sich, so erklärt Schütz gegenüber dem NBS-Marketing, "um Verhaltenserwartungen der Organisation gegenüber ihren Mitgliedern, die sich in den formalen Ordnungen des Hauses gar nicht finden lassen, die aber mehr oder weniger stillschweigend vorausgesetzt und auch an Neulinge weitergereicht werden." Diese in nahezu jeder Organisation bekannten "ungeschriebene Gesetze" prägten den Alltag einer Organisation weitreichend. Es könne, so Schütz, "vorkommen, dass das, was informell erwartet wird, teilweise dem widerspricht, was die Mitarbeitenden auf dem Papier vorfinden". Das wiederum begünstige Potenzial für soziale bzw. dienstliche Konflikte. Denn informale Erwartungen stehen teilweise unter einem "Gebot der Kommunikationslatenz", so der NBS Research Fellow. Der Begriff Kommunikationslatenz beschreibt Umstände, die bewusst mit einer gewissen Verschwiegenheit und einer Vermeidung von Diskussion einhergehen. Etwa Störungen oder heikle Entscheidungsfragen einer Organisation, die man lieber auf kurzem Dienstweg zu bearbeiten versucht, aber nicht gleich "an die große Glocke hängen" mag. Das allerdings solle man nicht vorschnell als Vertuschen oder Geheimniskrämerei abtun, gibt Schütz zu bedenken. "Es ist gar nicht selten der Fall, dass man lieber – sagen wir einmal – die Elastizität eines kleinen Kreises nutzt, bevor man gleich eine Akte anlegt und gerade dadurch vielleicht die Kontrolle über eine Angelegenheit verliert, weil nun das Thema seinen offiziellen Gang nimmt."

Kultur erweise sich als sehr robust. Wirksame Veränderungen müssten bevorzugt über die formale Struktur angestoßen werden: "Denn formale Änderungen haben Einfluss auf die Möglichkeiten im Informellen", folgert Schütz. Ferner werde nicht alles, was man eigentlich entscheiden könnte, auch tatsächlich entschieden. Viele Abläufe würden der Bewältigung in der Situation überlassen. "Es gibt zum Beispiel auch deshalb einige Zurückhaltung, die Vorgaben präzise zu formulieren, weil sie sich dann in der jeweiligen Lage womöglich nicht als besonders lebensnah darstellen. So viel in Organisationen auch beschlossen wird: viele Dinge bleiben auf Dauer oder für immer ohne endgültigen Beschluss; aus praktischen Gründen."

Wenig Aussicht bescheinigt Schütz vor dem Hintergrund der Forschung über Organisationskultur jenen Maßnahmen, die auf die Produktion von Leitbildern und Unternehmensphilosophien hinauslaufen. Hier werde das Thema Kultur gerade gegenüber der Organisation, an der man doch etwas ändern möchte, isoliert. Diesem "Fassaden"-Zugriff – so genannt, weil es hier um wohlklingende Rhetorik gehe – stellt Schütz den "harten" Eingriff in die formale Struktur gegenüber: "Wer an der Kultur etwas ändern möchte, der geht am besten an die Entscheidungswege heran, an Rechte und Pflichten; das heißt, sie oder er schränkt diese ein, oder erweitert sie. Denn damit wird regelmäßig auch die aus der formalen Ordnung erwachsenden Kultur eingeschränkt oder eben erweitert."

Im vergangenen Jahr hat Marcel Schütz mit dem Soziologen Prof. Dr. Stefan Kühl von der Universität Bielefeld eine Arbeit über Organisationskultur speziell im Verwaltungs- und Personalbereich verfasst. Darin schlagen die Forscher eine Eingrenzung des oft "blumigen" Begriffs Organisationskultur vor. Ihr Ziel ist es auch, Organisationen mehr Hilfestellung beim Verstehen und Gestalten der eigenen Organisationskultur zu geben.