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Sozialwissenschaftliche Aufarbeitung durch Prof. Dr. Christa Paul, Professorin an der NBS Northern Business School.

Die unabhängige Aufarbeitungskommission Oesede hat am 27. Februar die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlicht. Sie hat Fälle sexualisierter Gewalt, begangen an Kindern und Jugendlichen, durch einen Diakon in Ausbildung in der König-Christus-Gemeinde Oesede in den 1970er und den Umgang mit Betroffenen durch kirchliche Instanzen ab den 2010er Jahren untersucht.

Ausgangspunkt ihrer Beauftragung war, dass eine Betroffene im Oktober 2021 unter dem Pseudonym Lisa Meyer die an ihr durch den Diakon verübte sexualisierter Gewalt in den Jahren 1973-1974 öffentlich gemacht hatte.

Die Beauftragung der Aufarbeitungskommission zielte u.a. auf die Prüfung folgender Fragen:

  • hat es weitere Betroffene sexualisierter Gewalt durch den Diakon gegeben,
  • war der Umgang der Verantwortungsträger*innen der beteiligten kirchlichen Stellen mit Tatvorwürfen und Betroffenen zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens in den 1970er Jahren und im Jahre 2010 und später angemessen und Ausdruck von Verantwortungsübernahme,
  • lassen sich Umstände, Strukturen und andere Faktoren feststellen, durch die Fälle sexualisierter Gewalt ermöglicht oder erleichtert wurden,
  • hätten Folgetaten vermieden werden können?

Die Aufarbeitungskommission ging diesen Fragen mit juristschen und sozialwissenschaftlichen Methoden nach. Dabei nahm sie insbesondere die 1970er Jahre, aber auch die Jahre ab 2010 in den Blick. Im Jahre 2010 hatte sich Lisa Meyer an den zuständigen Landessuperintendenten der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers gewandt, um diesen über die sexualisierte Gewalt zu informieren.

Die juristische Aufarbeitung wurde von Wolfgang Rosenbusch, Vorsitzender Richter am Landgericht Hannover a. D., durchgeführt.

Die juristische Aufarbeitung hat zu den Ergebnissen geführt,

  • dass es neben der Betroffenen Lisa Meyer mindestens 7 weitere Betroffene gegeben hat, die Opfer einer Vielzahl von Taten sexualisierter Gewalt des Diakons geworden sind,
  • dass neben Lisa Meyer in den 1970er Jahren mindestens drei weitere der vorgenannten Betroffenen den Verantwortungsträger*innen bekannt waren,
  • dass die Tatsache, dass der Diakon sich Taten sexualisierter Gewalt schuldig gemacht hatte, an keiner Stelle ausdrücklich dokumentiert worden ist,
  • dass die Vertuschung dieser Taten sowohl von hauptamtlichen als auch von ehrenamtlichen Verantwortungsträger*innen mitgetragen wurde,
  • dass es bis zur Entlassung des Diakons neun Monate dauerte, gerechnet von dem Zeitpunkt der ersten Kenntnisnahme eines derarAgen Falls durch den zuständigen Gemeindepastor,
  • dass der Diakon in diesen neun Monaten von seinen Aufgaben, die ihm den Umgang mit Kindern und Jugendlichen ermöglichten, nicht entbunden worden war,
  • dass die Verantwortungsträger*innen den bekannten Betroffenen keinerlei Beachtung geschenkt noch ihnen Unterstützung angeboten oder sonsAge Hilfeangebote gemacht haben,
  • dass Folgetaten hätten vermieden werden können.

Die sozialwissenschaftliche Aufarbeitung verantwortet Dr. Christa Paul, Professorin im Studiengang Soziale Arbeit der NBS Northern Business School, Hamburg. Dr. Christa Paul führte eine Interviewstudie durch. Interviewt wurde die Betroffene Lisa Meyer sowie Personen, die ab dem Jahr 2010 aufgrund einer beruflichen oder ehrenamtlichen (kirchlichen) Tätigkeit mit der sexualisierten Gewalt in Oesede befasst waren.

Ein Ergebnis der sozialwissenschaftlichen Aufarbeitung ist, dass es sich bei dem Unterlassen der Information der König-Christus-Gemeinde Oesede im Jahr 2010 darüber, dass sich eine Betroffene gemeldet hatte, um ein erhebliches Versäumnis des Landeskirchenamtes Hannover gehandelt hat, weil eine zeitnahe Aufarbeitung deswegen unterblieben ist Das Landeskirchenamt hätte wissen können und müssen, dass dann, wenn ein Fall sexualisierter Gewalt an Kindern und/oder Jugendlichen bekannt wird, mit weiteren Fällen zu rechnen ist. Die Aufarbeitungskommission weist darauf hin, dass eine Aufarbeitung im Jahr 2010 mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine weitaus bessere Ergebnisqualität gehabt hätte, weil etliche der involvierten Personen seither verstorben sind.

Darüber hinaus hat die sozialwissenschaftliche Untersuchung ergeben:

  • die „Ansprechstelle Sexualisierte Gewalt“ des Landeskirchenamtes Hannover war bis in die 2020er Jahre mit deutlich negativen Folgen für Betroffene qualitativ und quantitativ personell unzureichend ausgestattet,
  • nachdem die Betroffene Lisa Meyer sich im Jahr 2020 entschieden hatte, die ihr widerfahrene sexualisierte Gewalt öffentlich zu machen, waren kirchliche hauptberufliche und ehrenamtliche Instanzen der Kreis- und Gemeindeebene in Oesede und Georgsmarienhütte involviert. Die insoweit unerfahrenen und überforderten Handelnden erhielten mit deutlich negativen Folgen dabei durch die Leitungsebene des Landeskirchenamtes keinerlei Unterstützung,
  • die von sexualisierter Gewalt durch einen Kirchenmitarbeiter betroffene Lisa Meyer hat bis in die Gegenwart mit der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers immer wieder negative Erfahrungen gemacht. Diese führten dazu, dass sie fortwährend einer starken emoAonalen Belastung ausgesetzt war.

Den Abschluss der Aufarbeitung bilden Empfehlungen, die die Kommission aus den Ergebnissen der juristischen und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen abgeleitet hat.

Weitere Informationen über die Aufarbeitungskommission und der Abschlussbericht der Aufarbeitungskommission sind auf folgender Website veröffentlicht: 
https://praevention.landeskirche-hannovers.de/aufarbeitung/aufarbeitung-landeskirche  

Für Fragen stehen zur Verfügung:

Prof. Dr. Christa Paul

E-Mail: christa.paul-aufarbeitungskommission[at]posteo.de
Telefon: 0152-09705072

Wofgang Rosenbusch
E-Mail: wolfgang.rosenbusch-aufarbeitungskommission[at]posteo.de