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Paul Wieczorek, MBA Unternehmenssicherheit undKey Account Manager bei der WG Global GmbH

Im Zuge der kollaborativen Erstellung des Working-Papers "Sicherheit im Handel vor dem Hintergrund der Corona-Krise“ von NBS-Professor und Studiengangleiter Sicherheitsmanagement (B.A.) Prof. Dr. André und Paul Wieczorek wurde ein Interview mit dem Experten für Sicherheitslösungen im Groß- und Einzelhandel geführt, in dem Herr Wieczorek Handlungsempfehlungen zu den Reaktionsmöglichkeiten des Handels in der nächsten Phase der Pandemiebewältigung gibt.

Frage: Herr Wieczorek, vor einigen Tagen haben wir in unserem Working Paper einige Handlungsempfehlungen für Unternehmen im Groß- und Einzelhandel formuliert. Seitdem hat sich die Lage weiterentwickelt. Wie sehen aktuell die Rahmenbedingungen und die Herausforderungen für die Unternehmen aus?

Tatsächlich ist die Lage etwas unübersichtlicher geworden. Dies ist auf sehr unterschiedliche Vorgaben zu den Öffnungsmöglichkeiten im Handel zurückzuführen, welche ab dem 20.04.2020 gelten. So können etwa Verkaufsflächen bis 800qm sowie darüber hinaus alle Buchläden, Fahrradhändler oder Autohäuser öffnen. Hinzu kommen angekündigte Unterschiede zwischen den Bundesländern, was zum Beispiel die Öffnung von Möbelhäusern betrifft. Für alle Unternehmen gilt jedoch, dass die Möglichkeit zur Wiedereröffnung daran gebunden ist, dass sie in der Lage sein müssen, eine Steuerung des Zutritts von Kunden vorzunehmen. Damit sollen Warteschlangen zu vermieden und das Aufeinandertreffen von Kunden verhindert werden. Zusammen mit neuen Bestimmungen zum Gesundheitsschutz für Mitarbeiter und erweiterten Hygienebestimmungen gibt es also eine Reihe neuer Aufgaben, die eher dem Safety-Bereich als dem Security-Bereich zuzuordnen sind. Parallel bleibt natürlich für alle Unternehmen, deren Verkaufsflächen weiterhin geschlossen bleiben müssen, die von uns getroffene Lageeinschätzung bestehen.

Frage: In der öffentlichen Diskussion werden die von Ihnen skizzierten Auflagen durchaus kritisch diskutiert. So wird z. B. hinterfragt, ob bei einer großen Verkaufsfläche das Einhalten der Vorgaben zum Abstand nicht viel einfacher wäre. Wie bewerten Sie das und welche Möglichkeiten gibt es, diese Auflagen zu erfüllen?

Mittlere bis größere Einkaufsflächen sind im Allgemeinen unübersichtlicher als kleinere Verkaufsflächen. Grundsätzlich gilt aber für alle Flächen, dass die Einhaltung der Vorgaben durch unterschiedliche Maßnahmen unterstützt werden sollte. Um die erforderlichen Sicherheitsabstände zu erreichen, ist der Handel nun gefordert, eine Begrenzung der Kundenzahl in Relation zur Verkaufsfläche umzusetzen. Das kann einerseits durch eigenes Personal oder durch Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstleisters erfolgen. Hier stellt sich aber die Frage der Verfügbarkeit bzw. der langfristigen Planbarkeit. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Nutzungspflicht für Einkaufswagen verbunden mit einer entsprechenden Beschränkung der Gesamtzahl der verfügbaren Wagen. Allerdings ist dies nicht für alle Geschäfte umsetzbar. Alternativ sind aber auch technische Lösungen denkbar, die etwa durch 3D-Stereo-Sensoren eine präzise Messung der Besucher am Ein– und Ausgang ermöglichen. Die Anzahl der Kunden könnte über eine "Kunden-Füllstands-Anzeige" am Eingang grafisch dargestellt werden, so dass der Kundenstrom auf diese Weise gesteuert werden kann. So könnten Sicherheitsabstände leichter eingehalten und das Infektionsrisiko für Kunden und Mitarbeiter minimiert werden.

Frage: Gibt es auch technische Lösungen, die über eine Zutrittsmessung hinaus innerhalb eines Geschäftes die Einhaltung der Abstandsregeln zwischen Kunden überwachen können?

Ja, das eben skizzierte System ließe sich auch auf den gesamten Verkaufsbereich ausweiten und zur Einhaltung der Abstandsregeln innerhalb des Geschäftes beitragen. Der Aufwand hierfür ist jedoch enorm groß und kurzfristig schwer umsetzbar. Ich denke, dass eine Kombination aus einem Zutrittssystem in Verbindung mit klaren Hinweisen zu den allgemeinen Verhaltensregeln und einem Appell an die Eigenverantwortung des Kunden der richtige Weg sind.

Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie, Warteschlangen vor den Geschäften zu verhindern?

Neben dem Einsatz von Kundenführungssystemen, wie dem Aufkleben von Abstandlinien, stellen alle Arten von Aufstellern oder Kordeln und auch der Einsatz von Sicherheitsmitarbeitern eine einfache und wirksame Lösung dar. Hier sollten jedoch die Maßnahmen, über die 1 Meter über die Verkaufsfläche hinaus in den öffentlichen Bereich reichen, im Vorfeld mit den Ordnungsdiensten oder der Polizei abgestimmt werden. Vielleicht finden sich ja auch gemeinsame Lösungen benachbarter Geschäfte. Sollte ein Handlungsunternehmen auch über einen Kundenparkplatzbereich verfügen, kann dieser natürlich ebenfalls für eine Vereinzelung genutzt werden.

Frage: Es gibt ja derzeit auch eine rege Diskussion um die Frage, warum z. B. Kirchen geschlossen sind, während einige Geschäfte öffnen dürfen. Lassen die von Ihnen skizzierten Handlungsoptionen auch auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens übertragen?

Ich gehe davon aus, dass wir uns in der nächsten Zeit mit den Auswirkungen der Covid-19 Krise arrangieren werden müssen. Insofern stellt sich die Frage, wie wir in dieser Zeit eine sinnvolle Kontrolle der Verhaltensregeln sicherstellen und unser gesellschaftliches und soziales Leben fortführen können. Viele Bereiche des öffentlichen Lebens werden weiterhin betroffen sein, beginnend beim Nah- und Fernverkehr, Gebäuden der öffentlichen Verwaltung, Banken aber auch Schulen u.v.m. Hier können technische Systeme in Kombination mit klaren Verhaltensregeln und einer Grundsensibilisierung aller Altersgruppen durchaus einen Mehrwert bieten.

Herr Wieczorek, vielen Dank für das Interview!

Paul Wieczorek, MBA Unternehmenssicherheit, ist Key Account Manager nat./int. und für die Fa. WG Global GmbH tätig. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Corporate Security Solutions für Unternehmen des Einzelhandels. Das Interview wurde von Prof. Dr. André Röhl, Studiengangleiter Sicherheitsmanagement an der NBS telefonisch durchgeführt.